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Aktuelle Bücher

Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024

 

 

Gut gegen Fernweh!

 

Wer sich die Zeit bis zum nächsten Urlaub vertreiben möchte, findet zahlreiche neue Regionalkrimis in unserer Bibliothek. 

Getraud Klemm: Einzeller

Wer sich für zeitgenössische Literatur aus Österreich interessiert, wird vielleicht schon bemerkt haben, dass die neue Buchhandlung "Kurdirektion" in Bad Ischl - oft in Kooperation mit anderen Einrichtungen und Vereinen - tolle Lesungen veranstaltet. So war am 4. August 2023 die wunderbare Getraud Klemm zu Gast - eingeladen vom Frauenforum Salzkammergut. Sie las aus ihrem aktuellen Roman "Einzeller" und erzählte im Gespräch mit Birgit Hofstätter von dessen Entstehungsgeschichte und Aufnahme bei Publikum und Kritik. Gertraus Klemm gelingt es mit "Einzeller", einen schwung- und humorvollen Roman vorzulegen, der gleichzeitig hochpolitisch und beklemmend ist: Die beiden Hauptfiguren Simone und Lilly ziehen in eine Frauen-WG ein, kurz darauf gehen sie auf das Angebot ein, bei dem Reality-TV-Format "Big Sista" mitzumachen. Einmal im Monat taucht ein Überraschungsgast, der von der Fernsehstation ausgesucht wird, in der WG auf und beim Kochen und Essen wird diskutiert. Es dauert nicht lange, da prallen Weltanschauungen aufeinandern, allerdings nicht die von Männern und Frauen, sondern die von Alt-Feministinnen und so genannten Netz-Feministinnen. Und das ist ebenso witzig wie deprimierend, denn schnell wird einem (als Leserin und Frau) klar, dass der Feminismus / die Feminismen auf dem Holzweg ist / sind. Was haben wir bisher erreicht? Gleiche Löhne? Gleiche Pensionen? Gleiche Arbeitsaufteilung in der Familie? Dreimal nein! Was brauchen wir? Eine gendergerechte Sprache? Anerkennung und Respekt von und für Trans-Frauen und Sex-Arbeiterinnen? Ja? Ja und nein? Nein? Und was davon brauchen wir am dringendsten? Da sind sich Simone und Lilly nicht einig und während die eine erschöpft in den Feminismus-Ruhestand geht, weil sich die Debatte im Kreis dreht und die Drohungen auf Social Media immer noch dreister werden, muss sich Lilly mit ganz anderen - sehr konkreten - Problemen auseinandersetzen. Das Buch endet mit einem Paukenschlag und lässt einen lange nicht los. Und weil Trigger-Warnungen gerade so modern sind: Achtung, die Sprache ist oft sehr direkt und alles andere als verhalten; auch was die Handlung betrifft, darf man nicht zimperlich sein, aber das darf man als Frau sowieso nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass die Politik der Wirklichkeit nicht denselben Weg geht wie die im Buch.

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Irina Kilimnik: Sommer in Odessa

Familienromane sind immer beliebt; wenn sie dann auch noch in einem Land spielen, das in aller Munde ist und nicht aus den Schlagzeilen kommt, liegt es nahe, dass das Private und das Politische verschmelzen. Irina Kilimnik setzt mit ihrem Debutroman ihrer ukrainischen Heimatstadt Odessa ein Denkmal. Dort lebt die Ich-Erzählerin im Jahr 2014 gemeinsam mit ihrer Mutter, ihren Tanten und Cousinen unter dem herrischen Auge des Großvaters in einer Mehrgenerationenwohnung. Sie studiert Medizin, nicht weil sie sich dafür interesiert, sondern weil der Großvater es so wünscht. Doch je reifer die junge Frau wird, desto klarer erkennt sie, dass ihre Berufung woanders liegt. Doch wie die Verwandtschaft konfrontieren? Wie ausbrechen? Und während sich innerhalb der Familie Gräben auftun, droht das Land auseinanderzubrechen: Vladimir Putin lässt die Krim okkupieren.

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Robert Seethaler: Das Café ohne Namen

In den 1960ern wagt Robert Simon einen Neuanfang: Er pachtet ein Lokal in der Leoppoldstadt und eröffnet ein Café. Auch wenn das Angebot noch etwas mikrig ist, kommen die Menschen vom umliegenden Markt und erzählen ihre Geschichten. So lässt Robert Seethaler ein Wien vor unseren Augen auferstehen, das es längst nicht mehr gibt, und man kann sich dem Charme dieser kleinen Welt nicht entziehen.

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Daniel Glattauer: Die spürst du nicht

Immer wieder gelingt es Daniel Glattauer mit seinen Romanen, eine Lektüre vorzulegen, die sich mühelos liest und einen unglaublichen Sog entwickelt, ohne jemals banal zu werden. In seinem neuen Buch begleiten wir die Familie Strobl-Marinek auf einen exklusiven Urlaub in die Toskana, der jedoch frühzeitig als Horrortrip zu Ende geht.  Gemeinsam mit Freunden beziehen die Strobl-Marineks die Villa mit Swimmingpool. Reisebegleiterin der 14-jährigen Tochter Sophie Luise ist die gleichaltrige Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Sophie Luise hat es sich zum Ziel gemacht, Aayana das Schwimmen beizubringen, nichtsahnend, dass ihre Freundin während ihrer Flucht Allerschrecklichstes erlebt hat und schwer traumatisiert ist. Dann passiert in einem unbeobachteten Moment die Katastrophe, die das weitere Leben aller Beteiligten nachhaltig belastet und verändert. Was an dem Roman so besonders überzeugt, ist seine Machart. Authentische Dialoge, die an ein Kammerspiel auf der Theaterbühne erinnern, und Online-Zeitungsberichte inklusive der Kommentare durchbrechen die Erzählung, die uns wie eine Kamera mit auf die Reise nimmt. So gelingt ein vielschichtiges Gesellschaftsporträt der heutigen Zeit. Sehr empfehlenswert, sehr entlarvend!

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